Jede der 28 Rheinhessen-AUSGEZEICHNET-Vinotheken hat ihren ganz eigenen Charme. Bei einem Besuch bieten sie alle einen Ort zur zwanglosen Weinprobe, zum Zusammentreffen und um ins Gespräch zu kommen.
Architektur mit Geschichte: Ingelheimer Winterkeller
Die Gebäude einiger Vinotheken beeindrucken zusätzlich durch ihre Architektur oder können eine besondere Geschichte erzählen. Drei dieser Vinotheken habe ich auf meiner Reise besucht und mich in ihren Bann ziehen lassen.
Die Vinothek des Weinguts Klosterhof in Flonheim, @ Intensive Senses
Vinothek Klosterhof: Neues Haus in alten Mauern
Mitten auf dem Flonheimer Marktplatz, hinter Rosen und einem historischen Brunnen, steht ein schmales, hübsch restauriertes Bauwerk. Dieses beherbergt das erste Ziel auf meiner Reise, die Vinothek Klosterhof.
Vinotheken Klosterhof Flonheim
, @ Intensive Senses
Bevor ich durch die moderne Eingangstür trete, nutze ich das kleine Fenster im Eingangsbereich und die Möglichkeit, mal zu „spickele“. Erst beim Eintreten wird mir deutlich, wie groß und weitläufig diese Vinothek ist. Ich bin verabredet mit Anke Schäfer-Graß, der freundlichen Seele des Hauses, und ihrem Mann Dr. Ralf Schäfer, dem Winzer.
Wir nehmen an einem Tisch im gemütlichen Innenhof Platz. Während wir unsere Traubensaftschorle und den Blick auf den „stillen Nachbarn“, die schöne Sandsteinkirche, genießen, erzählen mir die Beiden von der Geschichte dieses historischen Hauses.
Der kleine, feine Hof im Klosterhof, @ Intensive Senses
Das Gebäude der Vinothek ist ca. im 18. Jahrhundert erbaut worden. Bevor sie 2011 bis 2013 zur Vinothek umgebaut wurden, haben diese Mauern bereits landwirtschaftliche Betriebe, Familien und einen Elektromarkt beherbergt. Zu Zeiten der Leinreiter war dieses Haus wohl eine Schmiede, die die Hufe der Leinreiterpferde bei ihren Zwischenstopps versorgte, ganz sicher ist man sich dabei allerdings nicht. Der Boden, auf dem wir stehen, hat noch mehr Geschichten zu erzählen. Im Mittelalter gab es in diesem Teil Flonheims ein Augustiner Chorherren Stift. Das haben alte Fundstücke belegt. Dieses Stück Flonheimer Geschichte gab den Anlass für den Namen des Weinguts Klosterhof.
Stolze Betreiber: Anke und Dr. Ralf Schäfer, @ Intensive Senses
Die jahrhundertelange Historie ist der Grund, warum die Mauern dieser Vinothek unter Denkmalschutz stehen. Von außen wurde das Gebäude lediglich restauriert, um ihm zu neuem Glanz zu verhelfen. Es entstand ein neues Haus in alten Mauern. Für das neue Haus im Inneren hat das Paar einiges verändert, und das will ich mir nun anschauen. Ich staune nicht schlecht, als wir über die hölzerne Treppe mit Glaselementen gemeinsam den ersten Stock erreichen. Nicht nur durch den freien Blick in das einer Galerie ähnelnde zweite Stockwerk wirkt dieser Raum groß und weitläufig. Hier haben viele Gäste an den modernen Echtholz-Tischen Platz.
Ein schöner Raum für viele Gäste, @ Intensive Senses
Das Ehepaar erzählt mir, dass sie die komplette Ausgestaltung ohne Architekten nur mit Hilfe eines Statikers sowie regionaler und lokaler Handwerker umgesetzt haben. Dieses Haus ist ein Gemeinschaftsprojekt. Es enthält die Kreativität und das Herzblut von Vielen, das kann ich sehen. Es bedarf gar nicht vieler zusätzlicher Dekorationselemente. Die alten Räume mit neuem Charme haben ein ganz eigenes Strahlen.
Wann Ihr das neue Haus in alten Mauern besuchen könnt und welche Veranstaltungen bevorstehen, erfahrt Ihr auf der Webseite des Weinguts Klosterhof.
Probieren und Zugreifen: Shopping im Klosterhof, @ Intensive Senses
Die Gastgeberin: Anke Schäfer, @ Intensive Senses
Westwind Weine: Über den Dächern Wachenheims
Im historisch anmutenden Ortskern von Wachenheim sticht mir das Gebäude der Vinothek Westwind Weine direkt ins Auge. Der rechteckige Bau in grau und hellgrün ist schon von Weitem zu erkennen.
EIn grüner Turm setzt Zeichen: die Vinothek Westwind Weine, @ Intensive Senses
Jochen Hein kommt mir auf dem Hof entgegen. Zusammen mit seinem Bruder Thilo Hein hat er das seit 1837 im Familienbesitz befindliche Weingut übernommen. Mit dem Bau der Vinothek und einem neuen Namen für das ehemalige Weingut Hein haben die beiden Brüder frischen Wind in das Traditionsunternehmen gebracht. Dass der Neubau neben dem alten Haupthaus und dem gegenüberliegenden historischen Schloss auffällt, das war die Absicht der Beiden.
Jochen Hein in der eleganten Vinothek, @ Intensive Senses
Als Erstes betreten wir den Verkaufsraum im Erdgeschoss. Die ausgestellten Weine werden durch das royale Blau der Decke eingerahmt. Zwei Wände, verkleidet mit rustikalen Holzelementen aus alten Weinfässern, stehen im Kontrast zum goldenen, in die Decke eingelassenen Kreis.
Architektur, die den Wein in Szene setzt, @ Intensive Senses
In dieser Vinothek haben sie die Konzepte des Architekten mit dem bodenständigen Winzerhandwerk kombiniert, erzählt mir Jochen Hein. Dies wird deutlich, als wir das erste Stockwerk betreten. Schon von außen sind mir die Sandstein-Gabionen, integriert in die Hauswand, aufgefallen. Nun stehe ich im Inneren und schaue von der anderen Seite auf die Steine. Hunderte Sonnenstrahlen kommen durch die Lücken der Gesteinsbrocken, die direkt hinter dem Fenster liegen. Alle Steine stammen von den Weinbergen und Feldern des Weingutes.
Lichtspiel: Sandstein als Sichtschutz mit regionalem Bezug, @ Intensive Senses
Durch eine gläserne Flügeltür treten wir auf eine große Dachterrasse, überwachsen von Wein. Auf dieser und auf der nächsthöheren Dachterrasse bietet sich beim Probieren des Weins ein grandioser Ausblick in die Weinberge. Diese Aussicht genieße ich gerade, als Jochen Hein mir erzählt, dass es noch höher hinaus geht. Über eine metallene Wendeltreppe steigen wir auf eine kleine Plattform.
Terrasse mit grünem Sonnenschutz, @ Intensive Senses
Ursprünglich war diese begrünt geplant, aber die Brüder wollten den Ausblick nicht verschwenden. Zu Recht! Ich schaue über die mit Wein bewachsene Dachterrasse in die Weinberge Rheinhessens. Mit jedem Stockwerk wächst die Aussicht, ich kann nun über alle Dächer Wachenheims schauen.
Der wunderbare Ausblick vom „grünen“ Turm, @ Intensive Senses
Gleichzeitig kann ich im Innenhof des Weinguts den Kontrast zwischen Moderne und Tradition beobachten.
Es grünt an allen Enden., @ Intensive Senses
Ein Blick in den neuangelegten Garten der Vinothek lohnt sich ebenfalls. Dort entdecke ich neben den Sandstein-Findlingen in Gabionen einen kleinen Bachlauf, mediterrane Pflanzen und zwei antike Überbleibsel Wachenheimer Geschichte. Von ganz oben steigen wir die Treppen in das Untergeschoss der Vinothek hinunter. Hier versteckt sich ein großer Keller mit bis zu vier Meter hohen Decken. Dieser befindet sich noch im Ausbau und soll zukünftig Platz für Weinproben bieten. Schon jetzt verbindet sich die Moderne mit der Tradition des Weinguts. Der neue Keller bietet Einblicke in den Schacht des Hof-Brunnens und in drei alte Kellergewölbe, die vor dem Neubau viele Jahre unerschlossen waren.
Die Öffnungszeiten, zu denen Ihr die Vinothek und ihren Weitblick besuchen könnt, sowie weitere Informationen findet Ihr auf der Webseite des Weinguts Westwind Weine.
Ingelheimer Winzerkeller: Moderne trifft auf Ingelheimer Geschichte
Dass es sich bei der nächsten Vinothek um ein historisches Gebäude handelt, kann ich schon von außen erkennen. Vor mir liegt der Ingelheimer Winzerkeller, ein großes Sandsteingebäude mit roten Ziegel-Elementen. Beim Betreten fühle ich mich direkt wie im Urlaub. Ich stehe in einem großen, mediterran bepflanzten Innengarten. Kaum zu glauben, dass sich in diesen Mauern noch vor wenigen Jahren eine Kelterhalle befand.
Die ehemalige Kelterhalle – jetzt ein Indoor-Park, @ Intensive Senses
Ich bin verabredet mit Katharina Ferch, einer Mitarbeiterin des Winzerkellers. Den Winzer selbst trifft man in dieser Vinothek nicht an, denn das Bauwerk des Ingelheimer Winzerkellers beherbergt die Tourist-Information, ein Restaurant und eine Ortsvinothek, in der derzeit Weine von 25 Ingelheimer Weingütern angeboten werden. Als in Ingelheim ein Ort für eine Ortsvinothek gesucht wurde, kam kein anderes Gebäude infrage als der Ingelheimer Winzerkeller. Das berichtet mir Katharina Ferch. Es gibt wohl kein Objekt, dessen Wände mehr Weingeschichte erzählen und die Ingelheimer mehr mit ihrer Vergangenheit verbinden.
Auch draußen sitzt man gerne, @ Intensive Senses
Als Gemeinschaftskellerei wurde der Winzerkeller eigenhändig von Mitgliedern der Ingelheimer Winzergemeinschaft gebaut. Damit ich die Geschichte des Winzerkellers besser verstehe, zeigt mir Frau Ferch den ersten der beiden Keller. Wir betreten einen stimmungsvoll beleuchteten Gewölbekeller. Die Sandsteinwände wurden bei der Renovierung sandgestrahlt, so erstrahlen sie heute im gleichen Glanz wie vor über hundert Jahren.
Die großen Gewölbe bieten Platz für Festlichkeiten, @ Intensive Senses
Wo heute Platz für Events und Kulturveranstaltungen ist, soll noch bis zum Ende der 90er-Jahre der Wein der Ingelheimer Winzergemeinschaft entstanden sein. Wie das ausgesehen haben könnte, wird im zweiten Keller deutlicher. Hier tragen die Sandsteinwände noch die originale Patina. Dieser Gewölbekeller ist viel kälter und ich bilde mir ein, den Wein noch riechen zu können. Kein Wunder, hier lassen sich alte Betontanks und eine Holzfässer-Sammlung mit jahresspezifischen Schnitzereien bestaunen.
Die dürfen bleiben: Imposante Fässer mit Schnitzereien, @ Intensive Senses
Es sollen auch hölzerne Weinfässer gewesen sein, die über die Jahre auf den Treppenstufen nach oben ihre Spuren hinterlassen haben. Eine ganz neue metallene Wendeltreppe, die beim Umbau kreisrund in die Sandsteindecke gefräst wurde, führt uns zurück aus der Geschichte in die Gegenwart und hinein in die Ortsvinothek. Ich bin überwältigt vom großen Angebot und den verschiedenen Etiketten der 25 Weingüter. Zwei nette Mitarbeiter warten schon auf mich und so werde ich, wie in einer Vinothek üblich, bei der Weinauswahl gut beraten.
Modern und einladend: das Schaufenster des Ingelheimer Weins, @ Intensive Senses
Ich darf es mir draußen auf der Terrasse gemütlich machen und den Blick über den kleinen Tafeltrauben-Weinberg des Winzerkellers bis rüber auf die andere Rheinseite genießen. Dabei probiere ich mich durch das vielseitige Ingelheimer Weinangebot.
Die Weinprobe gehört dazu, @ Intensive Senses
Auf der Webseite des Ingelheimer Winzerkellers erhaltet Ihr weitere Informationen über die Ingelheimer Ortsvinothek und die Öffnungszeiten.
Noch mehr Vinotheken
Zur Zeit gibt es 28 dieser besonderen Vinotheken – und das Netzwerk wächst. Einen stets aktuellen Überblick über alle Rheinhessen-AUSGEZEICHNET-Vinotheken bekommt Ihr hier.
Vinotheken unter Corona-Bedingungen
Die gute Nachricht: Hinter jeder Vinothek steckt ein oder mehrere Winzer, die ausgezeichneten Wein produzieren. Und der Wein wächst auch in Pandemiezeiten, wird geerntet und füllt die Keller. Im Augenblick ist der Weinverkauf gestattet, nur das Probieren muss leider ausfallen. Wer ganz auf Nummer sicher gehen möchte, bestellt und lässt liefern. Also: der neue Wein wartet bald auf Euch. Und Wege zum Wein der AUSGEZEICHNETEN Vinotheken gibt es.
Über Natalie Teschauer
Als externe Autorin für den Rheinhessen-Blog nehme ich Euch gerne mit auf meine Entdeckungstouren durch Rheinhessen. Mit Kamera und Notizbuch immer im Gepäck, erkunde ich die Region der tausend Hiwwel, lerne die Vielfalt des Weins kennen und treffe gastfreundliche Rheinhessen.
Es gibt noch mehr zu entdecken
Spannende Geschichten aus der Kategorie ...weinig!