Neben den natürlichen Ressourcen des Standorts müssen auch die menschlichen Ressourcen pfleglich behandelt werden. Es geht um den respektvollen Umgang mit Mitarbeitern, mit Kunden und mit sich selbst. Denn nur wer fit, gesund und zufrieden ist, kann Wertvolles leisten.
Jede Art von Gemeinschaft profitiert von einem fairen Miteinander: bei der Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern, bei der Entlohnung der Saisonarbeitskräfte, bei der Abstimmung aller Prozessbeteiligter (Lieferanten, Logistik etc.) und beim offen gestalteten Nachhaltigkeitsdialog mit den Kunden.
In vielen Betrieben finden zwei oder gar drei Generationen ihren festen Arbeitsplatz. Und sollte der Betrieb nicht groß genug sein, dann werden oft neue Betriebszweige eröffnet: Gästezimmer, Gastronomie, Hofläden oder Wohnmobilstellplätze sind interessante weitere Standbeine.
Zusammen arbeiten bedeutet im Familienbetrieb auch zusammen leben. So ist es selbstverständlich, dass die Senioren ihr Altenteil in Anspruch nehmen und dafür oft bis ins hohe Alter eine Aufgabe im Betrieb haben. Der „geländegängige Opa“ ist keine Fiktion, sondern gelebte Wirklichkeit.
Der Nachwuchs erlebt den Winzerbetrieb von Kindesbeinen an und wächst ganz selbstverständlich in der Großfamilie auf. Das erfordert Durchsetzungsvermögen, fördert aber auch soziale Kompetenzen. Bei der täglichen Arbeit kommen Fragen auf: Sind die Aufgaben klug verteilt, kann jeder sein Talent und seine Stärken einbringen, werden alle fair entlohnt?
Wie schafft man es, als attraktiver Ausbildungsbetrieb sein Know-how an die Jungen weiterzugeben? Dazu die Fragen jenseits des Arbeitsalltags: Bleibt Zeit zum Luft holen, bleibt Zeit für die Familie? Nachhaltige Antworten gibt es nicht auf Rezept, sie gibt es nur als Ergebnis des eigenen Reflektierens
Wer Reben pflanzt, der denkt und handelt in langen Zyklen. Er legt sich mit dieser Entscheidung für eine ganze Generation fest. Der Beruf des Winzers und der Winzerin ist von diesem Selbstverständnis geprägt. Weinbau ist in jeder Hinsicht ein Generationen-Projekt. Die Winzerinnen und Winzer agieren darin in ganz verschiedenen Rollen: als Unternehmer, als Arbeitgeber, als Wirtschafts-Partner, als Landschaftspfleger, als Kulturschaffende, als Familienmenschen.
Ein wenig neidisch
Der Arbeitsplatz ist vor der Haustür, aber auch in Berlin, in Kopenhagen oder New York – dort, wo die Kunden sind. Er ist draußen im Weinberg, im Keller, in der Vinothek, auf der Messe oder am Schreibtisch. Es ist ein Beruf, der vom Pflanzen der Reben über die Weinlese bis zur schicken Präsentation viele verschiedenen Facetten hat. Das macht den Beruf ungemein attraktiv. Außenstehende sind fasziniert und bisweilen sogar ein wenig neidisch. Und der Winzerberuf wird immer öfter interessant für Quereinsteiger.
Wissen und Handwerk
Schon das kleine 1x1 des Berufsbilds macht deutlich, was an Wissen und handwerklichen Fertigkeiten gefragt ist. Kenntnis über die Böden, Wissen über die Rebe selbst - was ihr guttut, wann sie Stress hat. Es geht darum, die Weinberge gesund und intakt zu halten, denn sie sind sowohl essentielles Produktionskapital als auch wichtiger Teil der Kulturlandschaft. Dazu kommt das Know-how für die Bereitung der Weine und eine geschickte Hand im Umgang mit der Technik. Ein taffer Vertrieb und eine wirkungsvolle Kommunikation sind letztlich die Stellschrauben, um mit den Weinen auch erfolgreich im Markt zu sein.
Kinderwingert
Wie reizvoll der Beruf des Winzers und der Winzerin ist, zeigt das Projekt „Kinderwingert“, das von den Kultur- und Weinbotschaftern in Rheinhessen initiiert wurde. Dabei übernehmen Kinder die Patenschaft für eine Rebe und kümmern sich übers Jahr unter der Anleitung engagierter Winzerinnen und Winzer um die Pflege des Weinbergs bis zur Ernte der Trauben. Damit erfahren schon die Jüngsten hautnah, was es heißt, von und mit der Natur zu leben, und was es bedeutet, Winzer oder Winzerin zu sein.
Mit ihren Weinen prägen die Winzerinnen und Winzer die Kultur und das Lebensgefühl Rheinhessens. So gibt es zahlreiche attraktive Events, Konzerte und Lesungen in den Weingütern. Besonderen Charme hat die jährlich stattfindende Reihe „Rheinhessen liest – Literatur in Rheinhessens Weingütern“. Aber auch bei den großen Veranstaltungen ist Wein immer ein Thema - bei den Weinfesten sowieso. Und im Zuge der immer populärer werdenden After-Work-Treffs sind Weine und Winzer auch Dreh- und Angelpunkt für gute Gespräche und neue Freundschaften.
Kulturelle Angebote werden mehr und mehr zu Anziehungspunkten für Gäste, die dort natürlich auch den Wein genießen. Die Winzer laden Künstlerinnen und Künstler in ihre schönen, großen Höfe und Gärten ein. So wurde in den letzten Jahren ein enges Netz an Kulturangeboten auf dem Land geknüpft.
Die Winzerinnen und Winzer sind feste Größen für das Leben im Dorf und die Entwicklung des ländlichen Raums. Sie leben und arbeiten vor Ort, stehen oft für Freiwilligendienste bereit, wie den in der Feuerwehr. Sie gestalten durch ihr ehrenamtliches Engagement in den Kommunen die Entwicklung der Dörfer maßgeblich mit. Sie treffen den richtigen Ton im Projektchor und sie sind die Stützen vieler Vereine. Sie bedienen einen sanften Tourismus und leben die regionale Identität. Sie sind Botschafter ihres Weinbaugebiets und dessen Weinkultur. Sie sind versierte Eventmanager und auch Baumeister moderner Architektur auf dem Land.
Die Pflege der Rebe erfordert viel Handarbeit: Schneiden, Biegen, Entblättern, Ausdünnen, Ernten etc. Dazu kommt der Einsatz von Maschinen und viele Arbeitsschritte von der Verarbeitung der Trauben über die Füllung des Weins in Flaschen bis zur Vermarktung. Bei diesem Arbeitspensum und angesichts immer größer werdender Betriebe ist es wichtig, Verantwortung für die eigene Gesundheit und die der Mitarbeiter wahrzunehmen. Arbeitsschutz- und Sicherheitsmaßnahmen sowie innovative Technologien sind ein wichtiger Fortschritt auf diesem Sektor. Die Unterstützung durch professionelle Dienstleister bringt Entlastung in den Arbeitsspitzen. Auch Kooperationen zwischen den Betrieben helfen weiter. Die Work-Life-Balance ist in den Weinbaubetrieben kein Fremdwort mehr. Sie muss gelingen – im eigenen Interesse der Winzer und ihrer Familien. Damit dieses Winzerleben gelingt, und es auch auch für die nächste Generation attraktiv bleibt.
Nachhaltigkeit ist das Maß der Dinge.